Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Zuerst zwei kurze Sätze und dann ein langer: Es war einmal ein Spital. Das heute eine Art Gefängnis ist. Doch leben dort hinter vergitterten Fenstern in Mehrbettzimmern, die regelmässig durchsucht werden, im Gebäude, das nur durch Sicherheitsschleusen betreten und verlassen werden kann, das von Kameras überwacht und wo, wie die Briefträgerin aus sicherer Quelle weiss, die Post der Insassen und Insassinnen geöffnet wird, nicht Menschen, die ein Recht brachen, sondern im Gegenteil solche, die eines wahrnahmen: das Menschenrecht, ein Asylgesuch zu stellen.
UNIFORMIERTE. Das Bundesasylzentrum (BAZ) liegt auf einer ihrer Touren, weshalb die Briefträgerin sich ab und zu dort aufhalten muss. Oft wartet sie in der Loge auf unterschriftsberechtigte Personen, und die Stimmung ringsum wirkt auf sie ein. Es wimmelt von Uniformierten, von denen manche einen freundlichen Eindruck machen, wogegen andere eine das Fürchten lehren könnten. Die Auskunftsperson hatte der Briefträgerin auch von Gewaltvorkommnissen seitens der Sicherheitsleute berichtet. Autor Usama Al Shahmani nennt in seinem eindrücklichen Roman «In der Fremde sprechen die Bäume arabisch» die Asylunterkunft nicht von ungefähr einen «Raum voller Leid».
BESCHWERDE. Einmal erlebte die Briefträgerin mit, wie zwei Polizeibeamte, eine Polizeibeamtin und drei Securitasleute breitbeinig anrückten, um einen Asylsuchenden abzuführen. Das Gerede des Wortführers war fremdenfeindlich und respektlos. Fluchtartig, aber nicht kommentarlos, verliess die Briefträgerin, sobald sie konnte, den Ort. Ihren Zorn verwandelte sie später in ein Schreiben an die Beschwerdestelle der Kantonspolizei. Und in eine work-Kolumne, die hier rebrand.ly/bazpost nachzulesen ist. Die Antwort, die sie vom zuständigen stellvertretenden Kommandanten bekam, hielt fest, das Gespräch mit dem betreffenden Beamten habe ergeben, dass kein Fehlverhalten seinerseits vorliege.
FREMDER. Als sie kürzlich wieder im BAZ auf eine Unterschrift wartete, standen in der Nähe eine blonde Frau und ein etwa siebenjähriger Knabe, beide osteuropäisch aussehend. Der Junge sah zur Briefträgerin hin, erwiderte ihr Lächeln aber nicht. Er trug einen grünen Pullover. Quer über die Brust lief ein Schriftzug, aus dem ein gross geschriebenes Wort hervorstach: Stranger, «Fremder».